Autismus verstehen lernen – die Monotropismus-Hypothese

3. Fokussiertes Denken und ausgeprägte Interessen in speziellen Bereichen

Die Beschäftigung mit einem Spezialinteressen ist Monotropismus pur.

“So stossen wir hierbei auf Fähigkeiten wie Ausdauer, hohe Konzentration, forschendes oder exploratives Handeln, auf das Vermögen, sich in eine Sache leidenschaftlich, emotional hoch aufgeladen hinzugeben, ihr zielstrebig, tiefgreifend, akribisch oder auch phänomenologisch auf den Grund zu gehen oder überhaupt nicht an etwas interessiert zu sein (Murray, Lesser und Lawson 2005, 142).” Georg Theunissen

Ich sehe auch darin einen grossen Anteil Stimming. Die Beschäftigung mit einem Spezialinteressen dient der Reiz-, Gefühls- und Stressregulierung.

Das Spezialinteresse meines 10-jährigen Sohnes ist “gamen”: Hayday, Mario Odyssee, Merge Town….
Darum musst du über Mittag und nach der Schule kurz gamen – dein Spezialinteresse, um dich dann den Ufzgi widmen zu können. Vorher bist du nicht zu motivieren. Danach schon.

Es dient der psychischen und physischen Gesundheit und ist somit Lebensqualität. Aber nicht nur. Gleichzeitig ist es Wissensbereicherung und Forschung und Fortschritt. Die Gesellschaft braucht sie, die Menschen im Autismus-Spektrum. Ihnen ist einiges zu verdanken.

Spezielle Themen meines heute 10-jährigen Sohnes mit Asperger Syndrom
Du interessiertest dich schon leidenschaftlich für: Games – einmal Platz 108 auf der Weltrangliste bei Mario Odyssee, Atomstrom, Menschenhandel, Veganismus, Papierflugzeuge, Tod, “gibt es Gott?”, Autonummern, Weltall, Labyrinthe etc.

4. Atypische, manchmal repetitive Bewegungsmuster

“Werden monotropistische Personen durch plötzliche Ereignisse oder unerwartete Situationsveränderungen aus der Bahn geworfen, befinden sie sich in einem Zustand höchst affektiver Erregung, welcher in massiven Ängsten resultiert, die es zu bewältigen gibt.” Georg Theunissen

Selbststimulierendes Verhalten wie summen, mit den Händen flattern, schaukeln, auf den Finger beissen (…) helfen, um sich in Stresssituationen zu beruhigen. (“Ungefährliches”) Stimming sollte also nicht unterbunden werden und hat einen wichtigen Zweck.

Wie unser 5-jähriger Sohn mit dem 2 1/2jährigen Nachbarssohn ins Spiel kam:
Bis 3 hast du gesprochen. Das war deine neurotypische Sprachentwicklung. Dann bist du verstummt. Es folgte nach einer Zeit der Sprechpause die autistische Sprachentwicklung. Durch Echolalien, der Neigung Wörter, Wendungen oder ganze Sätze zu wiederholen – oft unaufhörlich, hast du mit Hilfe von den DVDs von “Tom und das Erdbeermarmeladenbrot mit Honig” wieder verbal zu sprechen begonnen. Auch heute, obschon du nun sprichst, sind dir gewisse stereotype Sprachhandlungen geblieben. Siehst du ein Flugzeug am Himmel, rufst du laut: “Flugzeug!” Und du erwartest eine Bestätigung, dass wir das Flugzeug auch gesehen haben. Das wiederholt sich noch heute täglich einige Male. Im Kindergarten dasselbe Ritual, wenn du die Reinigungsfachkraft staubsaugen hörst.

12 Antworten auf „Autismus verstehen lernen – die Monotropismus-Hypothese“

  1. Spannender Beitrag, danke!

    Das erklärt auch meine Aufmerksamkeitsprobleme in der Schulzeit. Es gab beispielsweise Lehrer, die zu Sprachmarotten neigten (ein Lehrer sagte nach jedem zweiten Satz nicht oder sozusagen). Irgendwann begann ich Strichlisten zu führen, wie oft ein Lehrer so etwas sagte, hörte aber entsprechend nicht mehr zu, weil ich den Rest vom Satz nicht mehr mitbekam.

    Heutzutage scheint das aber eher der Regelfall und nicht mehr eine Ausnahme, etwa wenn man mit wortwörtlichem Tunnelblick aufs Handy starrend den Gehsteig entlang geht und Leute anrempelt oder in Straßenbahnen läuft. Oder auch, wenn man mit Handy oder Kamera beim Konzert mitfilmt. Musik genießen und filmen gleichzeitig geht nicht. Unsere technisierte Welt fördert Monotropismus. Leider.

    1. Vielen Dank für das wohlwollende Feedback. Für mich ist die Monotropismus-Hypothese aktuell DIE beste Autismuserklärung. Danke auch für den Backlink 🙂

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